Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
Von Gerd Lache | 07.11.2021
Einst trafen sich die Luxusmarken der Glitzer- und Glamour-Branche einmal im Jahr in Basel zur Präsentation ihrer Neuheiten – vor allem Uhren, aber auch Schmuck, Edelsteine und Zulieferteile. Chopard, Rolex, Swatch & Co. galten als die großen Anziehungspunkte für das international angereiste Fachpublikum und Medienvertreter aus aller Welt. An den aufwändig gestalteten, mehrstöckigen Messe-Ständen gab sich das Who-is-who der Einkäufer die Klinke in die Hand.
Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen, darunter auch viele erfolgreiche Traditionsfirmen aus der deutschen Schmuckmetropole Pforzheim, fühlten sich ins Abseits gedrängt. Der Messe und der Region Basel wurde beispielsweise ob horrender Stand- und Hotel-Preise oft Überheblichkeit vorgeworfen. Doch für einige gab es schlicht keine Alternative zu der international aufgestellten Veranstaltung.
Und plötzlich war alles anders: Ausgerechnet einige der über lange Zeit hoffierten großen Marken drehten der Traditionsveranstaltung den Rücken und orientieren sich hin zum Messeplatz Genf. 2019 ging die bisher letzte Baselworld über die Messebühne.
In der Folge wurde unter anderem das Management ausgewechselt oder es strich von selbst die Segel. Und die Schweizer MCH Group als Veranstalter der Baselworld präsentierte dem neuen Mann an der Spitze, Michel Loris-Melikoff, einen Scherbenhaufen zum Aufräumen.
Dieser verkündete einen Neuanfang unter anderem Namen. Baselworld schien eine verbrannte Marke zu sein. Die Messe sollte unter dem Begriff „HourUniverse“ zu neuer Blüte kommen. Nicht nur Corona machte dem Vorhaben einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Hinzu kam unter anderem, dass die Zusammensetzung der englischen Begriffe Hour (Uhr) und Universe (Universum) vor allem für Asiaten und Franzosen mehr befremdlich als eine aufstrebende Marke war, wie Melikoff bei dem Fachtreffen in Pforzheim einräumte.
Und noch ein faux pas: Wegen der Corona-bedingten Messe-Absage erhielten die Aussteller nicht ihre bereits bezahlten Standgebühren in vollem Umfang erstattet. Dieses Ärgernis hält bis heute an, wie einige Kommentare bei dem Fachtreffen in der Goldstadt offenbarten. „Ein Fehler“, räumt Melikoff ein. Für die kommende Messe wolle er jeweils im Einzelfall prüfen, ob über Kulanzregelungen und Rückzahlung in Raten noch etwas zu machen sei. Für die bevorstehende Buchungsrunde jedenfalls gibt es die Zusage zur 100-Prozent-Rückerstattung, sollte ein erneuter Lockdown das Messetreiben verhindern.
Vom 31. März bis 4. April 2022 soll die Baselworld als Live-Event stattfinden. Daneben sieht die Re-Invent-Konzeption aber auch eine ganzjährige digitale Präsenz vor. Wurden 2019 noch 520 Aussteller registriert, rechnet der Managing Director fürs erste Jahr mit 200 bis 300 Ausstellern. Über die Besucherzahl will er nicht spekulieren, „das ist schwer einzuschätzen“. Er könne nicht auf bisherige Erfahrungswerte zurück greifen, denn in der Umsetzung „sind wir ein Start-up.“
Welche Chancen räumt Melikoff der neuen Baselworld ein, nachdem vor allem die Edelmarken nach Genf zur „Watches and Wonders“ abgewandert sind? Zum einen sieht er den Bedarf der Besucher nicht ausschließlich in der Präsenz von sogenannten Flagship Brands. Zum anderen seien ohnehin nicht alle Firmen in Genf willkommen. Und für diese Uhren-, Schmuck- und Edelstein-Firmen sei die Baselworld weiterhin eine geeignete Plattform. Im Übrigen heiße er Rückkehrer herzlich willkommen.
Ganz ohne Genf scheint es dennoch nicht zu gehen. Nicht zufällig lässt Melikoff den Basel-Termin 2022 mit dem des Messekonkurrenten überschneiden. Und das solle in Zukunft auch so bleiben. Mehr noch: Es sei ein Shuttle zwischen beiden Standorten geplant.
Und mit der Schweiz alleine gibt sich die MCH Group auch nicht mehr zufrieden. Baselworld-Ableger sind in China und den USA geplant. Melikoff: „Früher sind die Leute viel gereist. Jetzt, wo das nicht mehr der Fall ist, gehen wir eben zu ihnen.“ Da MCH bereits Auslandserfahrung habe, könne auf deren Infrastruktur aufgesetzt werden.
Unterdessen macht der Managing Director deutlich, dass die Baselworld keine reine Verkaufsmesse für Händler sein soll. Er spricht von einem Treffpunkt für Endkunden, von Sammlern sowie von Bloggern, Influencern und der traditionellen Journaille.
Eingeladen nach Pforzheim auf den Dachgarten des Parkhotels zur Branchenveranstaltung mit dem Baselworld-Chef hatte der Bundesverband Schmuck + Uhren (BVSU, Pforzheim) sowie der Bundesverband der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (BVJ, Köln). BVSU-Hauptgeschäftsführer Guido Grohmann sieht die 2022er Veranstaltung als eine Art Probelauf. „So richtig wird es erst wieder 2023 laufen.“
Von Gerd Lache | 07.11.2021
Einst trafen sich die Luxusmarken der Glitzer- und Glamour-Branche einmal im Jahr in Basel zur Präsentation ihrer Neuheiten – vor allem Uhren, aber auch Schmuck, Edelsteine und Zulieferteile. Chopard, Rolex, Swatch & Co. galten als die großen Anziehungspunkte für das international angereiste Fachpublikum und Medienvertreter aus aller Welt. An den aufwändig gestalteten, mehrstöckigen Messe-Ständen gab sich das Who-is-who der Einkäufer die Klinke in die Hand.
Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen, darunter auch viele erfolgreiche Traditionsfirmen aus der deutschen Schmuckmetropole Pforzheim, fühlten sich ins Abseits gedrängt. Der Messe und der Region Basel wurde beispielsweise ob horrender Stand- und Hotel-Preise oft Überheblichkeit vorgeworfen. Doch für einige gab es schlicht keine Alternative zu der international aufgestellten Veranstaltung.
Und plötzlich war alles anders: Ausgerechnet einige der über lange Zeit hoffierten großen Marken drehten der Traditionsveranstaltung den Rücken und orientieren sich hin zum Messeplatz Genf. 2019 ging die bisher letzte Baselworld über die Messebühne.
In der Folge wurde unter anderem das Management ausgewechselt oder es strich von selbst die Segel. Und die Schweizer MCH Group als Veranstalter der Baselworld präsentierte dem neuen Mann an der Spitze, Michel Loris-Melikoff, einen Scherbenhaufen zum Aufräumen.
Dieser verkündete einen Neuanfang unter anderem Namen. Baselworld schien eine verbrannte Marke zu sein. Die Messe sollte unter dem Begriff „HourUniverse“ zu neuer Blüte kommen. Nicht nur Corona machte dem Vorhaben einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Hinzu kam unter anderem, dass die Zusammensetzung der englischen Begriffe Hour (Uhr) und Universe (Universum) vor allem für Asiaten und Franzosen mehr befremdlich als eine aufstrebende Marke war, wie Melikoff bei dem Fachtreffen in Pforzheim einräumte.
Und noch ein faux pas: Wegen der Corona-bedingten Messe-Absage erhielten die Aussteller nicht ihre bereits bezahlten Standgebühren in vollem Umfang erstattet. Dieses Ärgernis hält bis heute an, wie einige Kommentare bei dem Fachtreffen in der Goldstadt offenbarten. „Ein Fehler“, räumt Melikoff ein. Für die kommende Messe wolle er jeweils im Einzelfall prüfen, ob über Kulanzregelungen und Rückzahlung in Raten noch etwas zu machen sei. Für die bevorstehende Buchungsrunde jedenfalls gibt es die Zusage zur 100-Prozent-Rückerstattung, sollte ein erneuter Lockdown das Messetreiben verhindern.
Vom 31. März bis 4. April 2022 soll die Baselworld als Live-Event stattfinden. Daneben sieht die Re-Invent-Konzeption aber auch eine ganzjährige digitale Präsenz vor. Wurden 2019 noch 520 Aussteller registriert, rechnet der Managing Director fürs erste Jahr mit 200 bis 300 Ausstellern. Über die Besucherzahl will er nicht spekulieren, „das ist schwer einzuschätzen“. Er könne nicht auf bisherige Erfahrungswerte zurück greifen, denn in der Umsetzung „sind wir ein Start-up.“
Welche Chancen räumt Melikoff der neuen Baselworld ein, nachdem vor allem die Edelmarken nach Genf zur „Watches and Wonders“ abgewandert sind? Zum einen sieht er den Bedarf der Besucher nicht ausschließlich in der Präsenz von sogenannten Flagship Brands. Zum anderen seien ohnehin nicht alle Firmen in Genf willkommen. Und für diese Uhren-, Schmuck- und Edelstein-Firmen sei die Baselworld weiterhin eine geeignete Plattform. Im Übrigen heiße er Rückkehrer herzlich willkommen.
Ganz ohne Genf scheint es dennoch nicht zu gehen. Nicht zufällig lässt Melikoff den Basel-Termin 2022 mit dem des Messekonkurrenten überschneiden. Und das solle in Zukunft auch so bleiben. Mehr noch: Es sei ein Shuttle zwischen beiden Standorten geplant.
Und mit der Schweiz alleine gibt sich die MCH Group auch nicht mehr zufrieden. Baselworld-Ableger sind in China und den USA geplant. Melikoff: „Früher sind die Leute viel gereist. Jetzt, wo das nicht mehr der Fall ist, gehen wir eben zu ihnen.“ Da MCH bereits Auslandserfahrung habe, könne auf deren Infrastruktur aufgesetzt werden.
Unterdessen macht der Managing Director deutlich, dass die Baselworld keine reine Verkaufsmesse für Händler sein soll. Er spricht von einem Treffpunkt für Endkunden, von Sammlern sowie von Bloggern, Influencern und der traditionellen Journaille.
Eingeladen nach Pforzheim auf den Dachgarten des Parkhotels zur Branchenveranstaltung mit dem Baselworld-Chef hatte der Bundesverband Schmuck + Uhren (BVSU, Pforzheim) sowie der Bundesverband der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (BVJ, Köln). BVSU-Hauptgeschäftsführer Guido Grohmann sieht die 2022er Veranstaltung als eine Art Probelauf. „So richtig wird es erst wieder 2023 laufen.“
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